Wer steht im Konflikt? Blickwinkel, Rollen und Chancen
Unsere Partner-Mediatorin Caroline Kikisch untersucht im folgenden Gastbeitrag die Brille, mit der wir auf Konflikte und deren Ursachen blicken. Dabei werden vor allem die diversen Rollen und Blickwinkel in einer Konfliktsituation, aber auch die Chance, die ein Konflikt mit sich bringen kann, beleuchtet.
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Die Bewertung macht den Unterschied
Wenn es in Organisationen kracht, kann das bekanntlich verschiedene Gründe haben. Diese „Gründe“ sind (mindestens teilweise) durch unsere Bedeutungsgabe konstruiert, unsere „Brille“. Die Störungen in der Kommunikation mit den Klient:innen können wie folgt bewertet werden:
1. Zielkonflikt zwischen Vertrieb und Produktion:
„Ja, der Vertrieb hat der Kundin X versprochen, die Produktion kann jedoch aktuell nur Y liefern … die hätten sich wirklich mal absprechen müssen!“
2. Rollenkonflikt zwischen der neuen Abteilungsleitung Maria im Vertrieb und dem Ex-Abteilungsleiter Josip (früher Vertrieb, jetzt Produktion):
„Josip war im Vertrieb, das muss man so klar sagen, eine Fehlbesetzung. Er ist nun als Abteilungsleiter in der Produktion viel besser aufgehoben. Dennoch hat er natürlich viel Wissen und auch Beziehungen aus der alten Zeit im Vertrieb und daher haben einige Mitarbeiter:innen vielleicht einen Loyalitätskonflikt, weil er menschlich von einigen auch sehr geschätzt wurde …“
3. Persönlichen Konflikt zwischen den Menschen Maria und Josip:
„Maria ist eben sehr extrovertiert und manchmal etwas vorschnell, Josip ist eben eher vorsichtig und introvertiert, aber auch stur… ist ja klar, dass die beiden nicht gut miteinander können…“
Mehr zu Caroline Kikisch’s Beitrag findest du auch hier auf ihrer Webseite.
In Konflikten verengt sich unser Blick
Oft genug trifft dieser Satz nicht nur auf die direkt Beteiligten zu, sondern auch auf Beobachter:innen oder Semi-Involvierte. Verengung bedeutet hierbei beispielsweise: Ein Konflikt zwischen zwei Abteilungen wird zu einem Konflikt zwischen zwei Teams oder zwei Individuen stilisiert, die zudem nicht als in ihren Rollen agierend begriffen werden, sondern als „schwierige Menschen“.
Natürlich gibt es auch Konflikte in Organisationen, die leicht mit den Persönlichkeiten der Beteiligten zu erklären sind. In der Erfahrung von Caroline Kikisch sollten wir unseren Blick darauf jedoch nur fokussieren, wenn wir vorher unseren Blick geweitet haben. Oft genug lassen sich — mindestens anteilig — Konflikte erklären durch unterschiedliche (Abteilungs-) Ziele, Rollen, (Team-) Kulturen und Strukturen.
Man sollte stets überlegen:
Was produziere ich mit meinen Erklärungsmustern?
Wie hilfreich ist es für diesen Kontext?
Kann ich den Blick auch für die Konfliktteilnehmer:innen weiten oder übernehme ich die automatische Verengung?
Konflikte ergeben Sinn
Konflikte machen uns auf etwas aufmerksam.
Einige Konflikte gehören zum Alltag dazu, weil sie in die Organisation eingebaut sind, das ist oft bei unterschiedlichen Abteilungen mit sich quasi-wiedersprechenden Zielen der Fall (z.B. Marketing vs. Qualitätssicherung, Vertrieb vs. Produktion). Diese Konflikte können nervig sein, sind jedoch mitunter durchaus produktiv: Ständige Absprachen und Konsens zwischen diesen Abteilungen würde sie in ihrer jeweiligen Arbeit und Expertise behindern.
Wenn Konflikte jedoch organisatorische Abläufe erschweren oder behindern und emotional und finanziell teuer werden, ist eine Analyse angebracht.
Sind die divergierenden Ziele weiterhin hilfreich? Für wen? Für wen nicht?
Ist das übergeordnete Ziel („Unternehmensvision“, Mission der Organisation“ etc.) klar — oder wurde es aus dem Blick verloren?
Eventuell können dann verbindende Workshops und interne Diskussionen sinnvoll sein.
Doch gerade fortgeschrittene Konflikte und verfestigte Positionen lassen sich oft nicht mehr intern auflösen. Hier kann ein frischer (und in Konflikten und Strukturen geübter) Blick von außen auf die Organisation und die Beteiligten helfen.
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